Die Spielzeugpistole – pädagogisch sinnvoll oder gefährlich?
Spielzeugwaffen sind Imitationen echter Waffen und es hat sie zu allen Zeiten gegeben. Die Kinder der Ureinwohner in den USA haben mit Pfeil und Bogen im Miniaturformat spielerisch gelernt, auf was es bei der Jagd ankommt. Das Gleiche gilt für die Kinder der Inuit, die mit kleinen Harpunen übten, wie sie ein Walross oder einen Seehund zur Strecke bringen. Überall wo es Kinder gibt, da gab es, gibt es und wird es auch immer Spielzeugwaffen geben. Die Spielzeugpistole ist eine kindliche Waffe der Neuzeit, die jeder kennt, der als Kind schon einmal Cowboy und Indianer oder Räuber und Gendarm gespielt hat. Zwar sieht die moderne Spielzeugpistole heute anders aus als noch vor 50 Jahren, aber die Diskussion um den Sinn von Kinderwaffen wird nach wie vor kontrovers geführt.
Im Spiel sind alle Waffen recht
Wenn Kinder spielen, kann grundsätzlich jeder Gegenstand zu einer Art Waffe werden: Ein Stock wird zum Schwert oder zum Degen und der Tannenzapfen zum Wurfgeschoss oder zur Waffe für den Nahkampf. Für Kinder haben Waffen in erster Linie einen symbolischen Charakter, sie denken nicht daran, zu töten oder zu verletzen. Mit der Spielzeugpistole oder dem Schwert aus Plastik in der Hand demonstrieren sie, wer der Böse und der Gute, wer der Starke und wer der Schwache ist. Die Waffe ist Teil des Spiels, sie gehört zur Handlung. Die ersten kindlichen Waffen waren wahrscheinlich Keulen, erst dann kamen Pfeil und Bogen oder die Armbrust dazu. Die Steinschleuder ist eine bekannte kindliche Waffe und als es die ersten Schusswaffen gab, wechselten auch die Kleinen die Waffen, die Spielzeugpistole und das Gewehr beherrschten jetzt das Spiel.
Wurfwaffen wie den Speer oder das Lasso, die Streitaxt oder das Wurfmesser gehören ebenfalls zu den Waffen, die Kinder in ihrer Fantasie nutzen und die sie zum Teil sogar selbst anfertigen. Die Hieb- und Stichwaffen, wie der Degen, der Säbel, der Dolch oder das klassische Schwert, wie es die Ritter getragen haben, nehmen einen sehr großen Teil der kindlichen Waffen ein.
Eine lange Geschichte
Auch im Mittelalter haben Kinder gespielt und da die Zeiten alles andere als friedlich waren, standen Waffen als Spielzeug ganz weit oben auf der Wunschliste. Kinder haben Fantasie und sind erfinderisch, damals wie heute, und so formten sie ihre Schwerter aus langen Ästen und ihr Speer war vielleicht ein gerader Stock. Schon früher haben Kinder die Helden aus Sagen, Legenden und Märchen bewundert und wollten die Waffen ihrer Helden tragen, während sie die Abenteuer nachspielten. Der Bogen wurde aus einem biegsamen Haselnussstrauch gefertigt und die Pfeile wurden selbst geschnitzt. In der galanten Zeit des Barocks gehörte es zum guten Ton, dass die Söhne aus reichem Hause schon als Kinder einen Degen trugen. Wer heute das Bild eines Jungen aus dem 18. Jahrhundert betrachtet, dem wird die Waffe auffallen, die diese Jungen trugen.
Seit vielen Jahrhunderten, und zwar in allen Kulturen, werden Jungen auf spielerische Art darauf vorbereitet, eine Waffe zu tragen und sie ebenso zu nutzen. Dass die Jungen der Adelsfamilien ihre kämpferischen Fähigkeiten für den Zweikampf trainierten, war die Regel und nicht immer handelte es sich bei diesen Übungswaffen um stumpfe Klingen. In Zeiten des Krieges oder schon bei den Vorbereitungen zu einem möglichen Krieg wurde von den Jungen erwartet, dass sie sich mit Waffen auskennen. Jede Epoche hatte dabei ihre eigenen Waffen. In der Vorbereitung auf den Ersten Weltkrieg kam auch die erste Spielzeugpistole in den Handel und fand reißenden Absatz.
Der Krieg und seine Kinderwaffen
Im Deutschland der Kaiserzeit boomte das Geschäft mit den kindgerechten Waffen und nicht nur das, auch Uniformen und Pickelhauben gab es im Kleinformat. Die damalige Werbung brachte es auf den Punkt: „Welcher kleine Mann möchte nicht gern ein großer Mann sein?“ Säbel und Gewehr gehörten zur damaligen Zeit zum Spielzeug wie die Trommel und die Trompete. Für die Gesellschaft war dieses Spielzeug völlig normal, denn schon früh sollte aus dem Jungen ein Mann werden, der für Kaiser und Vaterland in den Krieg zieht. Selbst nach dem katastrophalen Ersten Weltkrieg ließ die Begeisterung für die Spielzeugwaffen nicht nach. In der Zeit der Nationalsozialisten hatten Pazifisten keine Chance, vor allem die Kinder wurden schon sehr früh „auf Linie gebracht“. Bald folgte der Spielzeugpistole die richtige Pistole und das Bajonett löste den Degen aus einem Stück Holz ab.
Kinder bleiben Kinder, ob im Krieg oder im Frieden. Obwohl viele Erwachsene es nicht so gern gesehen haben, aber die Kinder waren schon nach dem Ende des Krieges im Jahr 1945 wieder bewaffnet. Die Spielzeugpistole war wieder da und diesmal konnte sie sogar richtig knallen. Jetzt war es kein Krieg mehr, der nachgespielt wurde, jetzt waren es wieder die Cowboys und Indianer aus dem Kino und der heimische Wald wurde zur weiten Prärie Nordamerikas. Immer noch wurden Jungen zu Drachentötern und der Gendarm war ebenso mit einer Spielzeugpistole bewaffnet wie der Räuber, dem er gerade auf den Fersen war.
Waffen waren ein Tabu
Noch bis Ende der 1960er Jahre gehörte die Spielzeugpistole zur Ausstattung des tapferen Cowboys und des unerschrockenen Gendarmen, dann kamen die 1970er Jahre und mit ihnen erschien die Friedensbewegung. Waffen jeglicher Art waren plötzlich ein Tabu und wer seine Kinder noch mit der Spielzeugpistole hantieren ließ, wurde schief angesehen. Niemand sah mehr einen Sinn darin, dass Kinder mit einer Spielzeugpistole durch die Gegend rennen, erst recht nicht, als es Amokschützen gab und das nicht nur an amerikanischen Highschools. Die Einstellung der Erwachsenen gegenüber Waffen aller Art änderte sich grundlegend und die Kinder wurden entwaffnet. Spiele, in denen es um ein friedliches Miteinander ging, waren modern, auch der Nachwuchs wollte mehr Spannung und Dramatik.
Im Rahmen der Friedensbewegung begann zugleich die Diskussion, ob kindliche Spiele nun pädagogisch sinnvoll sind oder nicht. Diese Diskussion dauert bis heute an. Den Kindern sind die Diskussionen egal, sie sind weiterhin von Waffen und kriegerischen Auseinandersetzungen fasziniert. Diese Spiele, ob jetzt im Gelände oder am Computer, versprechen das Gefühl von Stärke, Einfluss, Macht, außerdem sind sie sehr spannend. Die pädagogischen Bemühungen, die viele aus den 1970er Jahren von der bundesweiten Friedensbewegung übernommen haben, sind nach wie vor aktuell, die Kinder erreichen die Diskussionen aber nicht.
Die Spielzeugpistole und die Gesetze
Spielzeugwaffen wie die Spielzeugpistole, sind nach dem Gesetz nicht verboten. Obwohl sich viele Erwachsene ein solches Verbot wünschen, es wäre gar nicht möglich, ein solches Gesetz zu erlassen, da sind nicht genau definieren lässt, was eine Spielzeugwaffe ist. Allerdings gibt es in einigen Ländern zum Thema Spielzeugwaffen unterschiedliche Regelungen. 2008 wurde das Waffengesetz erneut verschärft und Spielzeugpistolen, die ganz bestimmte Kriterien erfüllen, gelten als sogenannte Anscheinswaffen.
Es bedeutet, dass eine Spielzeugpistole, die sich auf den ersten Blick nicht von einer echten Waffe unterscheiden lässt, nicht offen sichtbar getragen werden darf. Dies gilt gleichermaßen für die beliebten Softairwaffen. Der Hintergrund für dieses Verbot ist durchaus plausibel. Kommt es zu einer kritischen Situation und ist die Polizei involviert, dann können die Beamten nicht sofort erkennen, dass es sich um eine Spielzeugpistole handelt. Sie sehen die Waffe und dürfen in dem Fall zum Selbstschutz oder um andere Personen zu schützen, ihre Waffen ziehen und schießen.
Sind Spielzeugwaffen pädagogisch wertvoll?
Die Diskussion, ob Spielzeugwaffen aller Art pädagogisch sinnvoll sind oder nicht, ist nach wie vor hochaktuell. Was für die einen lediglich Spielzeug ist, ist für andere nur Kriegsspielzeug und wird, im Hinblick auf die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit, kategorisch abgelehnt. Trotzdem stehen Eltern und auch Erzieher ratlos vor einem Problem, für was es so einfach keine Lösung gibt. Viele Meinungen sind mit Vorurteilen beladen, andere haben persönliche Ängste, wenn ihre Kinder virtuell oder beim Spiel mit anderen Kindern eine Spielzeugpistole in der Hand halten. Das Angebot an Spielzeugwaffen ist breit gefächert und auf jeder Spielwarenmesse sind neue Modelle zu finden. Es ist gerade die Vielfalt an Spielzeugwaffen, die es Eltern und Erziehern nicht einfach macht, die richtige Entscheidung zu treffen.
Noch vor 50 Jahren lehnten Pädagogen Spielzeugwaffen grundsätzlich ab, heute raten viele Pädagogen zur Gelassenheit, aber zugleich zur Aufmerksamkeit. Kinder sind Nachahmer, sie wollen mit ihren Spielkameraden mithalten und wenn diese eine Spielzeugpistole haben, möchten sie es ebenfalls. Sie wollen auch ein Teil des spannenden Spiels sein und nicht als Außenseiter gelten. Für die Eltern ist es wichtig, dass sie sich mit ihren Kindern zusammensetzen und über den Sinn und das Wesen von Waffen und Spielzeugwaffen unterhalten. Für viele Kinder haben Waffen jedoch nach wie vor einen spielerischen Charakter und sie denken eher selten über das nach, was Waffen im realen Leben wirklich bedeuten.
Spielzeugpistole in allen Variationen
Geht es um Spielzeugwaffen aller Art, dann stehen nicht nur beliebte Spiele wie Cowboy und Indianer oder Räuber und Gendarm im Fokus, heute gibt es noch eine Reihe von anderen Möglichkeiten und Veranstaltungen, bei denen Kinder Waffen tragen. Der Karneval ist eine dieser Veranstaltungen, bei der sich neben Erwachsenen auch Kinder bewaffnen. Die Auswahl reicht vom Schwert für den Ritter bis zu Keule für alle, die als Neandertaler verkleidet durch die tollen Tage gehen. Der elegante Kavalier aus dem 18. Jahrhundert trägt natürlich einen Degen und der Polizist in der blauen Uniform der New Yorker Cops, hat ebenfalls die passende Waffe. Sehr beliebt sind mittelalterliche Märkte und Feste, die regelmäßig Tausende von Besuchern anziehen.
Es gibt viele Familien, die sich für ein solches mittelalterliches „Spektakulum“ begeistern und die zahlreichen Märkte und Feste in „Gewandung“, sprich in mittelalterlicher Kleidung besuchen. Dazu gehören in jedem Fall auch Waffenimitationen, die Erwachsene ebenso wie die Kinder tragen. Die Schwerter und Schilde, die Messer und Degen der kleinen Mittelalterfans sind meist aus Holz, während die Erwachsenen originalgetreue, unscharfe Waffen aus Metall tragen. Es gibt noch mehr solcher Beispiele, bei denen Kinder Spielzeugwaffen tragen, weil sie einfach zur Kostümierung gehören. Das Schwert der japanischen Ninja Krieger ist nach wie vor im Karneval oder auf der Kinderkostümparty zu finden. Eine Pistole, wie sie vom Geheimagenten 007, James Bond getragen wird, ist als Spielzeugwaffe gleichfalls sehr beliebt.
Bunt und futuristisch
Die klassische Spielzeugpistole, die dem Colt aus dem Wilden Westen ähnelt, ist heute kaum noch zu finden. Diese Pistolen für Kinder hatten kleine Plättchen als Munition, die knallten, wenn mit der Pistole „geschossen“ wurde. Diese Pistolen waren aus Metall gefertigt, recht schwer und passten genau in das Halfter am Gürtel der kleinen Cowboys. Mit den Spielzeugwaffen von heute sind die Pistolen, die vor 50 Jahren modern waren, allerdings nicht zu vergleichen. Die Waffen zum Spielen, die Kinder heute haben, sind bunt und sehen futuristisch aus. Sie nennen sich „Blaster“ und erinnern an die Waffen der Helden aus der Weltraumsaga „Krieg der Sterne“. Diese modernen Waffen werden in zahlreichen Ausführungen angeboten, beispielsweise als Lasergewehr oder als Wasserpistole.
Die neuen Spielzeugwaffen machen laute Geräusche, es gibt sie auch in einer kleineren Variante und sie stehen nicht nur bei Kindern hoch im Kurs. Sogar erwachsene Männer liefern sich mit diesen großen und bunten Spielzeugwaffen „Schlachten“, selbst wenn es nur mit Wasser ist. Beliebt sind außerdem Pistolen für Kinder, bei denen die Munition statt aus Wasser aus glibberigem Schleim besteht. Manche dieser Weltraumwaffen, wie es sie vielleicht in der fernen Zukunft gibt, sind sehr groß. Sind sie mit Wasser „geladen“, werden sie auf jeden Fall sehr schwer, aus diesem Grund sind sie für kleine Kinder eher nicht geeignet. Kleinere Waffen für die Wasserschlacht im heimischen Planschbecken sind jedoch durchaus beliebt und haben einen hohen Spaßfaktor. Von Krieg oder Bedrohung ist dabei nicht mehr die Rede.
Fazit zur Spielzeugpistole
Geht es ums Spielen, dann kennt die kindliche Kreativität und Fantasie keine Grenzen. Kinder haben zu allen Zeiten Kampf und Krieg gespielt. Teils, weil sie zu Kriegszeiten lebten und nichts anderes kannten, zum Teil aber auch, weil es kriegerische Auseinandersetzungen zu allen Zeiten gegeben hat. Heute finden viele Kriege auf dem Bildschirm des Computers oder dem Display des Smartphones statt, trotzdem stehen Spielzeugwaffen immer noch hoch im Kurs. Kinder wissen nichts von den realen Kriegen dieser Welt und können sich darunter auch nichts vorstellen. Für sie ist es einfach nur spannend, eine Spielzeugwaffe zu tragen und Gefechte mit anderen Kindern auszutragen. Eltern sollten ihren Kindern den Wunsch nach einer Spielzeugwaffe nicht verwehren. Sie sollten sich jedoch mit ihren Kindern zusammensetzen und mit ihnen darüber sprechen, welche tödlichen Gefahren von echten Waffen ausgehen.